Kindheitserinnerungen an den Krieg

Dagmar Scherf stellte ihre literarische Biografie in der Stadt- und Schulbücherei vor

Kindheitserinnerungen an den Krieg 
Dagmar Scherf stellte ihre literarische Biografie in der
Stadt- und Schulbücherei vor 
 

Wenn es sich auch um die verschütteten Erinnerungen einer Dreijährigen handelt – der  Schriftstellerin Dagmar Scherf hat sich der 16. April 1945 tief ins Gedächtnis eingebrannt. Nach der Flucht aus Danzig fand Scherfs Mutter mit ihren drei Kindern bei der Familie Geißelmeier in Gunzenhausen Unterschlupf. Doch die gastfreundliche Aufnahme sorgte nur für einige Wochen Ruhepause.  Bei dem Fliegerangriff kurz vor Kriegsende bohrte sich eine Bombe in den Keller des Nachbarhauses und auch das Haus der Geißelmeiers wurde durch den Einsturz zerstört.

Mit „Veilchenbluten – Was der Krieg aus mir machte und ich aus ihm“ hat die in der Nähe von Bad Homburg lebende Autorin jetzt eine literarische Biografie vorgelegt. Fotografien dazu hat ihr Ehemann, der Journalist Günther  Scherf, beigesteuert. In der Stadt- und Schulbücherei hatte „Veilchenbluten“ nun Premiere: „Es ist das erste Mal, dass ich dieses Buch vorstelle. Und es ist kein Zufall, dass ich dies in Gunzenhausen tue“, betonte Dagmar Scherf. Eingeladen hatten das Buchhaus Schrenk gemeinsam mit der Stadt- und Schulbücherei.

Da gibt es diesen roten Henkelbecher, an den sie sich zu erinnern glaubt: An jenem Apriltag im Jahr 1945 meint sie, ein Kind gesehen zu haben, das im flackernden Kellerlicht jenen Becher in den Händen hielt. Als ihren „Schreckensableiter“ bezeichnet sie den Becher, der ihr half, den immer wiederkehrenden Angsttraum zu ertragen. Ein Angsttraum, in dem sie stets fürchtete, in  einem Haus ohne Dach aufzuwachen.

Den Gästen in der Stadt- und Schulbücherei brachte Dagmar Scherf ihre literarischen Erinnerungsbilder näher: Der vermisste Vater, die erstarrte Mutter, das Aufwachsen in Wettelsheim, die Schulzeit in Gunzenhausen. Dagmar Scherf verharrte nicht in ihrer Opferrolle als vom Krieg traumatisiertes Kind. Sie hat sich mit ihrem Schreiben eingesetzt für andere, die Opfer geworden sind: Für Hexen und unschuldig Verfolgte. Mit ihren Engagement in der Friedensbewegung.   

2003 war Dagmar Scherf schon einmal in der Stadt- und Schulbücherei zu Gast. Damals hat sie ihr Buch „Homburger Hexenjagd“ vorgestellt, erinnerte Büchereileiterin Carolin Bayer bei ihrer Begrüßung. Und sie zitierte die Autorin: „Es ist mein Ziel, Geschichte in Geschichten zu verwandeln.“

Genau dies habe die Autorin auch mit ihrer Autobiografie erreicht, betonte dritter Bürgermeister Thomas Engelhardt. In den Geschichtsbüchern werde das Schicksal Einzelner eher an den Rand gedrängt. Der Redner machte deutlich: Dagmar Scherf zeichnet mit ihrer Zusammenstellung von Kindheitserinnerungen, Gesprächsnotizen, Lyrik und der Einblendung von Fakten ein persönliches Bild der zeitgeschichtlichen Ereignisse.   

„Das geschirebene Wort ersetzt das fehlende Dach über dem Kopf.“ -  Kristy Husz vom Buchhaus Schrenk würdigte Dagmar Scherf als Schriftstellerin, als Literaturwissenschaftlerin und als Journalistin.

Vier Romane, vier Bände mit Erzählungen und Lyrikbände, Sachbücher und viele Kinderbücher hat sie veröffentlicht. Dazu kommen Musicals, Hörspielproduktionen und im kommenden Jahr sogar ein Oratorium „Gesänge gegen den Krieg“. „Veilchenbluten“ als literarische Autobiografie darf auch als Schlüssel zu Dagmar Scherfs bisherigem Schaffen gedeutet werden.   

Dagmar Scherf: Veilchenbluten : Was der Krieg mit mir machte und ich aus ihm. Eine literarische Autobiografie.  Frankfurt am Main 2013, 167. Seiten,  ISBN 978-3-88864-512-9 : 19,80 €.

 

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