Der Sängerbund übergab seine historische Vereinsfahne an das Stadtarchiv

Bild: Übergabe der Vereinsfahne an das Stadtarchiv

Die letzten Lieder sind gesungen, die finalen Töne verklungen – die Stadt Gunzenhausen verliert mit dem Sängerbund nicht nur einen seiner ältesten Vereine, sondern auch ein Stück seiner kulturellen Identität. Mehr als 160 Jahre lang prägte die Gemeinschaft maßgeblich das musikalische Leben in der Altmühlstadt. 1861 vom berüchtigten Türmer und Stadtmusikus Christian Friedrich Möbius gegründet, prägte der Sängerbund Generationen von Menschen. Nach jahrelangem Existenzkampf findet dieses Kapitel nun ein Ende. Nach der Coronapandemie fehlten aktive Sängerinnen und Sänger, ein Fortbestand des Vereins hatte irgendwann keinen Zweck mehr. Die Erinnerung soll jedoch lebendig bleiben. So übergaben Vorsitzende Karin Elterlein und Schatzmeister Johann Schad die historische Vereinsfahne an die Stadt Gunzenhausen.

„Waren es vor der Pandemie rund 40 begeisterte Musikerinnen und Musiker, so mussten wir zuletzt mit einem Stamm von nur noch zwölf Sängerinnen und Sängern auskommen“, erklärte eine betrübte Karin Elterlein, seit 2010 Vorsitzende des Sängerbundes. „Wir hätten gerne weitergemacht, doch trotz unserer Bemühungen konnten wir keinen Nachwuchs motivieren. Dass es anderen Vereinen auch so geht, tröstet uns nicht. Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als den Chor aufzulösen.“ Tatsächlich war es in den letzten Jahren ruhig um den Sängerbund geworden. Im Rahmen des 1200jährigen Stadtjubiläums 2023 fand der letzte öffentliche Auftritt statt.

Der Sängerbund hat der Stadt Gunzenhausen viele schöne Momente beschert. So waren insbesondere die traditionellen Sommer- und Weihnachtskonzerte über viele Jahre ein kultureller Fixpunkt im Kalender. Viele Gunzenhäuser erinnern sich gerne an die kreative Hochzeit des Vereins unter dem langjährigen Chorleiter Heinz Horst. Mit großem Fleiß und noch größerem Können drückte er dem Sängerbund von 1970 bis 2016 seinen Stempel auf, die musikalische Reise führte bis in den Bayerischen Rundfunk. Noch heute werden die genussvollen Sängerbund-Interpretationen von Händels „Messias“ oder Haydns „Schöpfung“ in manchen Haushalten als musikalische Erinnerung gerne gehört.

„Der Sängerbund hat Gunzenhausen geprägt und die Stadt mit fulminanten Konzerten erfreut“, betonte Erster Bürgermeister Karl-Heinz Fitz. „Als Gemeinschaft habt ihr viele Jahrzehnte lang Menschen zusammengebracht und mit Freude Musik gemacht. Ein Chor steht daneben für traditionelle Werte und Brauchtumspflege. Leider wird es immer schwieriger, solch ein kulturelles Erbe zu bewahren. Vielen Vereinen fehlt der Nachwuchs und in der Kernstadt merken wir das noch deutlicher, als es in den Ortsteilen der Fall ist.“

Die Auflösung ist beschlossen, nun findet die Liquidation statt. Seit 2020 waren bereits keine Mitgliedsbeiträge mehr eingezogen worden, das jetzt noch vorhandene Restvermögen wird auf Gunzenhäuser Kindergärten aufgeteilt. „Als letzten Akt möchten wir mit diesem Geld die musikalische Früherziehung in Gunzenhausen fördern“, erklärt Karin Elterlein. „Die Zuwendungen werden daher zweckgebunden sein, ganz im Geiste des Sängerbundes.“

Bereits 2019 wurden Vereinsunterlagen aus den Jahren 1861 bis Ende der 1960er an das Stadtarchiv Gunzenhausen übergeben. Im Zuge der Vereinsauflösung sollen nun weitere, historisch relevante Korrespondenzen, Protokolle oder Tonaufnahmen folgen. Daneben hat die historische Fahne einen Platz im Archiv gefunden. Spannend hierbei ist die aufgestickte Jahreszahl 1862, die nicht mit der Gründungszahl 1861 des Vereins übereinstimmt. „Die Fahne wurde 1862 durch den Goldsticker Johann Hüttner aus Ansbach hergestellt, daher die abweichende Jahreszahl“, erklärte Stadtarchivar Werner Mühlhäußer. „Bei einem Brand im Vereinslokal, dem Gasthof ‚Zum Goldenen Engel‘, 1880 wurde diese Fahne zerstört und im selben Jahr eine neue angeschafft. Es handelt sich um ein wunderbares Stück Stadtgeschichte, welche mit Stolz und Sorgfalt für die Folgegenerationen erhalten bleiben soll.“

Am Ende, ein Resümee: 164 Jahre, 24 Vorsitzende, 21 Chorleiter und unzählige Sängerinnen und Sänger. „Gunzenhausen kann sich glücklich schätzen, für einen solch tollen Chor musikalische Heimat gewesen zu sein“, so Erster Bürgermeister Karl-Heinz Fitz. „Der Sängerbund war ein bildendes und belebendes Element. Das Wirken hinterlässt nachhaltige Spuren. Was bleibt, ist Geschichte.“

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